„Zwischen der Finanzierung und der Auswahl der Zielgruppe bestehen ernstzunehmende Wechselwirkungen.“

Zijad Naddaf, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsschwerpunkt Nonformale Bildung der TH Köln, berichtet über die Arbeit an der Zugangsstudie.

Herr Naddaf, an welchem Teil der Zugangsstudie sind Sie beteiligt?

Naddaf: Unsere Aufgabe ist es, Experteninterviews mit verschiedenen Trägern der Internationalen Jugendarbeit durchzuführen. Wir befragen die Perspektive der Expert_innen, um herauszufinden, welche strukturellen Zugangsbarrieren es in der Internationalen Jugendarbeit geben könnte. Das sind alle Barrieren, die nicht direkt mit den Jugendlichen zu tun haben, wie organisatorische, finanzielle oder informatorische Barrieren. Ein Ergebnis unserer Arbeit könnte beispielsweise sein, zu zeigen, warum Internationale Jugendarbeit häufig dieselben Zielgruppen anspricht.

Können Sie den Ablauf eines Interviews beschreiben?

Naddaf: Es gibt zunächst eine Einstiegsfrage. Die Interviewpartner_innen erzählen etwas zu ihrer Einrichtung, ihrem Aufgabengebiet und dem dortigen Stellenwert der Internationalen Jugendarbeit. Auch Werte oder Leitbilder der Organisation können dargelegt werden. Anhand dieser kann man herausarbeiten, welche Zielgruppe angesprochen wird.

Nach dem Einstieg kommen wir zu Fragen nach der Zielgruppe. Dann geht es konkret um deren grundlegende Merkmale, aber auch um die Perspektive der Expert_innen auf die Gruppe. Man beginnt beispielsweise mit der Altersstruktur und kommt dann auf die Voraussetzungen zu sprechen, damit Jugendliche die Angebote der Internationalen Jugendarbeit wahrnehmen. In den bisherigen Gesprächen nennen die Expert_innen beispielsweise gutes Selbstvertrauen oder eine gewisse Weltoffenheit als notwendig, damit Jugendliche sich trauen, bei einer Jugendbegegnung ins Ausland zu fahren. In einem dritten Fragenkomplex werden die Schlüsselfragen nach Zugängen und Barrieren in der Internationalen Jugendarbeit gestellt.

Auf welchen Hypothesen bauen die Fragen des Interviews auf?

Naddaf: Viele dieser Hypothesen entstammen der langjährigen Arbeit unseres Forschungsschwerpunktes sowie der gängigen Forschungsliteratur. Von diesen können wir uns natürlich nicht komplett frei machen. Sie thematisieren das Finanzierungssystem, die Teilnahmebarrieren sowie die Verfügbarkeit und die Aufbereitung von Informationen über Jugendbegegnungen. Wir sichten unser Material danach, was diese Hypothesen bekräftigt und versuchen neue Hypothesen abzuleiten.

Wie ist der momentane Stand der Arbeit?

Naddaf: Bisher haben wir 20 Interviews geführt. Weitere werden folgen. Wir bilden mit unseren Gesprächspartner_innen ein möglichst breites Spektrum ab, das die alten und die neuen Bundesländer abdecken soll und möglichst viele Organisationen der Internationalen Jugendarbeit repräsentiert.

Gibt es aus den bisherigen Interviews etwas besonders Überraschendes zu berichten?

Naddaf: Ein Interview zeigte auf, dass man häufig das eigene Bild einer speziellen Zielgruppe immer bereits durch die Ansprache reproduziert. Deswegen könnte man kritisch fragen: Wen spreche ich überhaupt an, mit welcher Sprache und mit welchen Bildern. Und was setze ich implizit schon voraus? Solche Aspekte werden oft nur geringfügig reflektiert. Auch beim finanziellen Aspekt gibt es Überraschendes. In einem der Interviews wurde deutlich, dass das verfügbare Budget manchmal die Auswahl der Zielgruppe beeinflusst. Vereinfacht gesagt: Kann ich mir weniger Pädagog_innen leisten als gewünscht, suche ich mir eher eine Zielgruppe aus, bei der angenommen wird, dass der Internationale Austausch weniger ‚problematisch‘ oder weniger aufwendig verläuft. Da gibt es scheinbar sehr ernstzunehmende Wechselwirkungen.

Was haben wir, wenn die Ergebnisse Ihrer Arbeit vorliegen?

Naddaf: Unser momentaner Stand lässt nur eine erste Einschätzung möglicher Ergebnisse zu. Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir diese mit den Ergebnissen der anderen Forschungspartner_innen der Zugangsstudie vergleichen. Wir werden Übereinstimmungen und Kontroversen herausstellen und diese vertiefend diskutieren.